Strukturierte Versorgungsdaten für die klinische Forschung
Wie der Datenaustausch zwischen Universitätskliniken die Patientenversorgung verbessern soll
Die Medizininformatik-Initiative schafft die Voraussetzungen dafür, dass Forschung und Versorgung näher zusammenrücken. Sie soll dazu beitragen, dass jeder Arzt, jeder Patient und jeder Forscher in Zukunft Zugang zu den für ihn erforderlichen Informationen hat. Dies führt zu genaueren Diagnose- und Behandlungsentscheidungen, schafft neue Erkenntnisse für die wirksame und nachhaltige Bekämpfung von Krankheiten und trägt dazu bei, die Versorgung weiter zu verbessern. Datenschutz und Datensicherheit haben dabei höchste Priorität. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung stellt den insgesamt vier Konsortien, die sich mit unterschiedlichen Fragestellungen befassen, bis 2026 bislang rund 300 Millionen Euro zur Verfügung. Über die Ziele des Konsortiums Smart Medical Information Technology for Healthcare (SMITH) sprachen wir mit Konsortialpartner Prof. Dr. Gernot Marx, Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care der RWTH Aachen sowie Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI).
Was verbirgt sich hinter SMITH, Professor Marx?
Prof. Dr. Gernot Marx: Im SMITH-Konsortium arbeiten klinische, epidemiologische und systemmedizinische Mitarbeiter daran, Forschung und Versorgung zielgerichtet miteinander zu verknüpfen. Hierfür werden die in der Routineversorgung anfallenden Patientendaten nach deren Zustimmung aufbereitet und in standardisierter Form für die medizinische Forschung bereitgestellt. So können wir Versorgungsabläufe besser verstehen und analysieren. Das mündet dann in gesicherte Forschungsergebnisse, präzisere Diagnosen und bessere Therapien.
Wer ist Teil des Konsortiums SMITH?
Prof. G. Marx: Bei der Konstitution waren die Universitätskliniken Leipzig, Jena und Aachen dabei. Von Unternehmensseite hatten wir SAP, die im Laufe des Projektes ausgeschieden sind, das Fraunhofer Institut für Software und Systemtechnik, die Bayer AG und März Internetwork Services an Bord. Heute arbeiten insgesamt zehn Universitätskliniken zusammen.
Welche Ziele haben Sie sich im Konsortium gesetzt?
Prof. G. Marx: Das wichtigste Ziel war die Realisierung der sogenannten Datenintegrationszentren, also der IT-Architektur für den Austausch der Versorgungsdaten. Dieser Schritt ist abgeschlossen. Mittlerweile sind die Datenintegrationszentren auch erfolgreich extern auditiert worden – mit sehr erfreulichem Feedback übrigens. Aufgrund der positiven Ergebnisse sind wir auch bereits in die zweite Förderperiode eingestiegen.
Was sieht die vor?
Prof. G. Marx: Wir bauen sogenannte Digital Hubs auf, die als Brücke zu anderen Leistungserbringern in der Region dienen und eine reibungslose sektorenübergreifende Versorgung ermöglichen sollen. Dazu gehört auch, die Patienten zu begleiten und eine strukturierte Nachsorge zu gewährleisten. Diese longitudinalen Beobachtungen steuern wir über ein App.
Damit haben Sie dann eine Vorgabe der Medizininformatik-Initiative erfüllt, dass die Innovation einen messbaren Fortschritt in der klinischen Versorgung induzieren muss. Wie belegen Sie das?
Prof. G. Marx: Um das zu belegen, haben wir den Use Case ASIC etabliert, der die algorithmische Überwachung in der Intensivversorgung beleuchtet. Wir konzentrieren uns dabei auf die Therapie von Patienten mit akutem Lungenversagen (ARDS), einer Erkrankung, an der heute noch etwa 40 Prozent aller betroffenen Patienten versterben. Eine speziell entwickelte App fungiert als Frühwarnsystem, indem sie Ärzte auf ein potentielles ARDS hinweist, noch bevor der Zustand des Patienten kritisch zu werden droht. Wir können dabei auf eine Datenbank mit fast 15.000 Patienten zurückgreifen.
Wo sehen Sie als Mediziner den Mehrwert von SMITH?
Prof. G. Marx: Gerade in der Intensivmedizin ist der sichere Austausch von Daten unter versorgenden und forschenden Einrichtungen essenziell, um wissenschaftliche Fragestellungen zu beantworten und wirkliche Erkenntnisgewinne zu erhalten. Ich verspreche mir davon auch einen Schritt hin zur individualisierten Medizin in unserem Fach.
Was begeistert Sie an der Medizininformatik-Initiative?
Prof. G. Marx: Die Multiprofessionalität gepaart mit einem tollen Spirit. Hier arbeiten Informatiker, Medizininformatiker, Kliniker, Fakultätsverantwortliche und auch Vorstände mit Unternehmen zusammen, sie entwickeln Ideen, definieren Prozesse und treiben diese dann in die praktische Anwendung. Auf allen Seiten wächst das Verständnis füreinander, Wünsche, Bedürfnisse und Notwendigkeiten werden schneller akzeptiert. Das führt dazu, dass wir mittlerweile auf einem sehr guten Weg sind, Interoperabilität innerhalb der Universitätsmedizin herzustellen. Im nächsten Schritt wollen wir das nun wie beschrieben auf externe Leistungserbringer ausweiten.
Welche Rolle spielte März im SMITH-Konsortium?
Prof. G. Marx: Eine ganz entscheidende. Ohne die Interoperabilitätsplattform wäre der Aufbau der Datenintegrationszentren schwer möglich gewesen. Ein weiterer wesentlicher Beitrag ist die Implementierung zentraler Services auf Basis von IHE-Profilen. Genau dafür ist März bekannt und geschätzt. Und da eine Interoperabilität Voraussetzung für den Austausch strukturierter Daten ist – wir wollten keine PDF-Dokumente mehr versenden, das konnten wir ja bereits –, ist März ein wichtiger und gewichtiger Partner.
Vielen Dank für die spannenden Einblicke, Professor Marx.